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Anti-Antifa-Akten – und der Umgang damit

Dresden. Schon wiederholt in der bundesdeutschen Geschichte haben Rechtsextremisten zu missliebigen Personen Dossiers angelegt. Veröffentlichungen über eine neuerlich publik gewordene Datensammlung rufen die Staatsanwaltschaft auf den Plan – und die aus neofaschistischen Dunstkreisen heraus agierenden Datensammler selbst.

Bereits zu Beginn der 1990er Jahre veröffentlichten Aktivisten der sich so betitelnden Anti-Antifa in der damaligen Szene-Publikation “Einblick“ zusammengetragene Daten über antifaschistisch engagierte Personen aus dem gesamten Bundesgebiet. Weiterhin oder mittlerweile neu tätige Anti-Antifa-Strukturen informieren nach ihrer Selbstdarstellung unter anderem “über linksextremistische Bestrebungen und antifaschistische Gewalt“. Nach Einschätzung der Berliner Agentur für soziale Perspektiven (ASP) dient dabei die Bezeichnung “Anti-Antifa“ auch als identitätsstiftende Sammelbezeichnung für militante und pseudomilitante rechtsextremistische Gruppen. Als weiteres Ziel von Anti-Antifa-Aktivitäten wird darüber hinaus die versuchte Einschüchterung politischer Gegner gesehen.

In seiner aktuellen Ausgabe berichtete das Antifaschistische Infoblatt (AIB) über “Einblicke in die Arbeitsweise der ’Anti-Antifa’ in Dresden“. Fast zeitgleich teilte am 22. Januar das Dresdner Medien-Projekt a.l.i.a.s. mit, durch sächsische und speziell Dresdner rechtsextremistische Kreise seien augenscheinlich umfangreiche und detaillierte Daten-Sammlungen über Personen angelegt worden, die sich couragiert gegen Rechtsextremismus engagieren. Die Bandbreite der Anti-Antifa-Aktenlage reiche von Antifaschisten, Gewerkschaftsmitgliedern, Mitarbeitern einer Schülerzeitschrift und linken Politikern bis hin zu Professoren und einfach zivilgesellschaftlich engagierten Menschen.

Als besonders pikant erscheint in diesem Zusammenhang, dass ein nicht unwesentlicher Teil der dem a.l.i.a.s. anonym zugänglich gemachten und von Szene-Kennern als authentisch eingestuften Anti-Antifa-Akten “offensichtlich aus der Einsichtnahme in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt“ wurde. Zu dem Verdacht einer Aktenweitergabe an Rechtsextremisten sagte der Leiter der Staatsschutzabteilung bei der Staatsanwaltschaft Dresden, Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, Vorschrift der Strafprozessordnung sei es, “dass Privatpersonen keinen Zugang zu Ermittlungsakten haben, wenn denn nicht über ihren Anwalt“.

Nachdem Berichte in der Tageszeitung junge welt und bei redok zu den Anti-Antifa-Akten mit Dossiers über mehr als 100 Personen erschienen waren, durchsuchten Beamte des Dezernates Staatsschutz am 29. Januar die Räume des a.l.i.a.s. in Dresden. Dabei händigten – entgegen teilweise anderslautenden Berichterstattungen – Mitarbeiter des a.l.i.a.s. der Staatsanwaltschaft die gesuchten Unterlagen freiwillig aus. Als “prikär“ bezeichneten es Vertreter des Dresdner Medien-Projektes, “dass die Anzeige, welche zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens führte, von einem langjährig bekannten Neonazi, just aus dem Spektrum der Freien Kräfte Dresden, gestellt wurde. Tilo K. ist Mieter des Objekts auf der Oskar-Röder-Straße, was von Neonazis genutzt wird und in welchem die Unterlagen entwendet worden sein sollen“. Gleichzeitig betonten Vertreter des a.l.i.a.s. nochmals, dass “das Vorgehen der Szene, mittels Anzeigen an Daten politischer Gegner zu gelangen, in Dresden nichts neues“ darstelle. So enthalte “nicht zuletzt die ’Anti-Antifa-Akte’ eine Vielzahl von Informationen, die nur aus solchen Ermittlungsverfahren stammen können“.

Das AIB erklärte im Zusammenhang mit der staatsanwaltlichen Durchsuchung des a.l.i.a.s.: “Das Redaktionsgeheimnis und der Informantenschutz zählen zu den elementaren Voraussetzungen einer freien Presse, an ihnen darf nicht gerüttelt werden“. Dabei bezieht sich das AIB direkt auf das so genannte SPIEGEL-Urteil, wonach Durchsuchungen unzulässig seien, wenn sie vor allem dazu dienten, einen mutmaßlichen Informanten aufzuspüren. Darüber hinaus verweist das AIB auf die Cicero-Affäre und die Bedeutung des Informantenschutzes für die Pressefreiheit. So sei schließlich das Zeugnisverweigerungsrecht “nicht umsonst im Jahr 2002 zugunsten der Journalisten erweitert worden“.

Mittlerweile hat sich auch die so genannte “Freie Offensive Sachsen“ unter der Online-Führung des militanten Nazi-Kaders Ronny Thomas zu Wort gemeldet – und angekündigt: “Sollten also nationale Aktivisten dazu übergehen, einen Selbstschutz zu organisieren, indem man Daten von Protagonisten der antifaschistischen Szene sammelt, so ist dieser Akt nur eine Antwort auf die jahrelangen Umtriebe der selbigen“. Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelt derweil unter anderem zur Herkunft der den Anti-Antifa-Dossiers zugrunde liegenden Strafakten.

[Dieser Artikel wurde am 6. Februar 2007 bei redok veröffentlicht.]

Sächsische Rechtsextremisten nachdrücklich “auf leisen Sohlen“

Dresden. In einem als nicht-öffentlich deklarierten Bericht bilanziert das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen – mit Stand vom Juli 2006 – ein so tituliertes “Lagebild Rechts- und Linksextremismus für die Stadt Dresden“.

Während “ein Drittel der linksextremistischen Straftaten 2005 im Freistaat Sachsen … in Dresden verübt“ worden seien, käme die rechtsextremistische Szene “hingegen zunehmend auf leisen Sohlen daher“. So würde von rechtsextremistischer Seite – führt das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV) aus – “versucht vor allem über Musikkonzerte und Fußballturnier die Jugend zu ködern“.

Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang vom LfV Sachsen – von den Dresdner Neuesten Nachrichten (DNN) so zitiert – besonders “die Gruppierung ’Freie Kräfte Dresden’ (auch ’Freie Nationalisten’ oder ’Freie Aktivisten’ oder ’Freie Strukturen’ genannt)“ – für aufmerksame Beobachterinnen und Beobachter der sächsischen Nazi-Szene bekannt unter dem Sammelsurium “Freie Offensive – nationalistisch – sozialistisch – revolutionär“. Diese rechtsextremistische Gruppierung – so das nicht-öffentliche Resümee des LfV – habe sich nach Selbsteinschätzung “aus den ’Rechts-Links-Kriegsschauplätzen’ zurückgezogen, um sich verstärkt der Jugendarbeit vor allem im Umland von Dresden“ widmen zu können.

Die von den DNN veröffentlichten Teile der Bestandsaufnahme des LfV Sachsen zählen darüber hinaus “rund hundert Aktive zur rechtsextremistischen Kameradschafts- und Skinheadszene“ und bewerten insbesondere die so genannten “Freien Kräfte Dresden“ sowie die “Junge Landsmannschaft Ostpreußen – Landesverband Sachsen/Niederschlesien“ als durchaus öffentlichkeitswirksam agierend.

Eine bisher vor allem von den “Freien Kräften Sachsen“ (FKS) praktizierte Wortergreifungsstrategie sei mittlerweile – so das LfV – einer angestrebten “Bürgernähe“ gewichen. Dahingehend bezieht sich der LfV-Bericht nach DNN-Angaben beispielsweise auf die aus rechtsextremistischen Kreisen initiierte so genannte “Antikapitalismus-Kampagne“. Zudem seien – offensichtlich in gewissen Zusammenhängen der Rubrik ’Bürgernähe’ angerechnet – in der Dresdner Region mehrere Skinhead-Bands wie “Sachsonia“, “Racial Purity“ und “Sence of Pride“ aktiv.

[Dieser Artikel wurde am 12. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Razzia gegen “Blood & Honour“-Unterstützer

Zittau. Am 2. November wurden bei einer polizeilichen Durchsuchungsaktion zahlreiche rechtsextremistische Propaganda-Artikel sichergestellt. Diesbezüglich ermittelt das sächsische Landeskriminalamt (LKA) gegen einen 22jährigen Zittauer unter anderem wegen des Verdachtes der Unterstützung der im September 2000 vom Bundesministerium des Innern verbotenen “Blood & Honour Division Deutschland“.

Erst am 28. Oktober hatte der 22jährige im benachbarten ostsächsischen Görlitz den vorab in einschlägigen Kreisen beworbenen Szene-Laden “Showdown“ eröffnet, der im Verlauf der Polizeiaktion – wie seine Wohnung – gleichfalls durchsucht wurde. Beschlagnahmt wurden nach Angaben des LKA und der Staatsanwaltschaft Dresden beispielsweise Geschäftsunterlagen, Computer, Handys und Fahnen mit verbotenen Inhalten sowie “Blood & Honour“-T-Shirts und -CDs. Die aufgefundenen rechtsextremistischen Propagandamaterialien sollen von dem Zittauer nicht allein nur im “Showdown“ angeboten worden sein. Ein Vertrieb der rechtsextremistischen Devotionalien sei ebenfalls über seinen seit Oktober 2006 existierenden Online-Versand erfolgt.

Bereits am 7. März des Jahres waren auf Ansinnen der Staatsanwaltschaft Dresden sachsenweit insgesamt 34 Objekte mutmaßlicher Aktivisten von “Blood & Honour“ durchsucht worden.

[Dieser Artikel wurde am 4. November 2006 bei redok veröffentlicht.]

Sachsen: Vormaliger NPD-Landtagsabgeordneter jetzt DSU-Mitglied

Dresden. Die vorrangig noch in Sachsen agierende rechtskonservative Splitterpartei Deutsche Soziale Union (DSU) hat mehr oder weniger prominenten Zulauf erhalten: Klaus Baier aus Annaberg-Buchholz. Baier war bis Dezember 2005 Abgeordneter der sächsischen Landtagsfraktion der NPD und erreichte – auch in seiner Funktion als damaliger Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Annaberg-Buchholz – zur Landtagswahl 2004 13,7 Prozent der Erststimmen.

In seinem einstigen Wahlkreis Annaberg verzeichnete die NPD – nach der Sächsischen Schweiz – mit 14,0 Prozent ihr zweitbestes sachsenweites Wahlergebnis. Das Internet-Magazin Telepolis verortete Baier, seit 1998 Mitglied der NPD und zudem seit 1999 Mitglied im Landesvorstand, als Anhänger des ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert.

Nach seinem Fraktions- und Parteiaustritt fungierte Baier zwischenzeitlich als Mitglied der Freiheitlichen Partei Deutschlands (FP). Am 24. Oktober 2006 verkündete der 46jährige Klaus Baier seinen nunmehrigen Eintritt in die DSU.

[Dieser Artikel wurde am 28. Oktober 2006 bei redok veröffentlicht.]

Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker

Uwe Adamczyk (Linkspartei.PDS) legt nach vier auf ihn verübten Anschlägen seine politischen Mandate in Sachsen nieder und verlässt den Ort des Geschehens

Es ist ein Vorgang, der in der jüngeren politischen Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen sein dürfte. Ein Politiker sieht als letzte Konsequenz aus wiederholten rechtsradikalen Angriffen auf sein Hab und Gut – und nicht zuletzt sein Leben – nur noch die Aufgabe seiner politischen Ämter sowie einen Ortswechsel als Lösung.

Bereits zum vierten Mal in nur gut einem Jahr erfolgte vor wenigen Tagen auf das Haus von Uwe Adamczyk in Meerane wiederholt ein Brandanschlag. Der durch Körperbehinderungen auf den Rollstuhl angewiesene Adamczyk selbst konnte sich “nur mit Müh und Not“ in Sicherheit bringen. Die Polizei konstatierte “Brandstiftung“. Der Staatsschutz ermittelt in dieser – offensichtlich gegen den Politiker gerichteten – “Anschlagsreihe“.

Uwe Adamczyk war von 1994 bis 2004 Abgeordneter des Sächsischen Landtages. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit als antifaschistischer Sprecher vormaliger PDS-Fraktionen. Innerfraktionell schien er allerdings dort zuweilen ob seines Engagements mehr gelitten und geduldet, als hilfreich unterstützt gewesen zu sein. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag erwarb Adamczyk den Gebäudekomplex in Meerane zur längerfristigen eigenen Existenzsicherung mit geplanter gastronomischer Einrichtung, Internet-Cafe, Billard sowie Wohnungen und Büroräumen in Funktion als alternatives Begegnungszentrum. “Von Anfang an war jedoch klar und auch gewollt, dass rechtsorientierte Personen für diese Räumlichkeiten keinen Zutritt erhalten.“ Noch nach den Anschlägen im Dezember 2005 erklärte Adamczyk: “Ich selbst aber auch die Jugendlichen hier im Gebäude lassen uns von diesen Rechten nicht einschüchtern.“

Nach dem vierten Anschlag im September 2006 legt Uwe Adamczyk nunmehr seine politischen Mandate als Stadtrat in Meerane und Kreistagsabgeordneter im Chemnitzer Land nieder und wird sich geografisch verändern. “Ich gebe auf. Auch wenn meine Feinde damit erreicht haben, was sie wollten“, sagte er Medien gegenüber. Das rechtsextremistische Störtebeker-Netz stellte noch im Nachgang kaum misszuverstehende Drohungen in den virtuellen Raum: “Und bevor er friedliche Menschen in anderen Regionen belästigt, sollte er nicht nur die Gabel abgeben!“

Am 4. Oktober demonstrierten gut 150 Menschen im sächsischen Meerane unter der Losung “Courage zeigen – Nazis widerstehen – Solidarität mit Uwe Adamczyk!“ Vorab erklärte die Linkspartei.PDS: “Die Konsequenzen, die Uwe Adamczyk nun zieht, sind für uns bitter, wenngleich auch sehr nachvollziehbar.“ Politikerinnen und Politiker aus anderen Parteien übten sich gleichfalls in verbaler Betroffenheit. Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40 Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den Versammlungsteilnehmern auf dem Meeraner Teichplatz. Man wolle “den Rechten in Meerane nicht das Feld überlassen“, verlautbarte jedenfalls der Vorsitzende des Kreisverbandes der Linkspartei.PDS im Chemnitzer Land. Warum nur klingt dies merkwürdigerweise ein wenig wie Pfeifen im dunklen Wald?

[Dieser Artikel wurde am 6. Oktober 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]