Archiv der Kategorie: ReftLight

Publikative.org goes Archive.org

Früher. Da gab es NPD-Blog. Und es gab redok. Ganz früher war da noch IDGR. Also, einmal holzschnittartig überregional betrachtet. Virtuell. Rückblickend. Die Älteren werden sich erinnern.

Aus NPD-Blog wurde Publikative. Nach Jahren der Berichte und Recherchen rund um das rechtsextreme Milieu im weitesten Sinne stellte redok fürderhin dann seine Tätigkeit ein; IDGR bereits schon weit davor. Irgendwie. Endstation Archive.org. Publikative blieb. Und das nicht gerade kurze Zeit. Bis jetzt.

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(Screenshot: O.M.)

Wenn Patrick Gensing nun in seinem Publikative-Goodbye zwischenzeitlich früheres resümierend anmerkt, “die Geschichten“ wären “auserzählt“ gewesen, dann sei à jour Widerspruch erlaubt. Und das weißt Du auch, lieber Patrick. Irgendwie. Vielleicht. Aber sei’s drum. The Times They Are a-Changin’ …

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(Twitter, 25. Januar, 06:20 Uhr – Screenshot: O.M.)

“Den Twitter- und Facebook-Kanal werden wir aber sicherlich noch nutzen, um weiterhin hemmungslos auf unsere journalistischen Werke hinzuweisen“ (Publikative.org).

Wohlan denn. Frei nach Matrix Revolutions hat alles, was ein Ende hat, auch einen Anfang. Venceremos!

“Los werdet ihr uns natürlich dennoch nicht! Wie Patrick werde ich weiterhin für andere Medien über die extreme Rechte berichten …“ (Felix M. Steiner, Publikative.org, 23. Januar 2016).

MedienScreen # 73 [Fischer im Recht. Kleiner Zwischenruf zum Thema “Sexmob“]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Unser Sexmob – Deutschland bekämpft wieder jemanden: Männer, die Frauen belästigen. Die kann der Deutsche nicht ausstehen. Da kennt er keine Parteien mehr.“, Zeit Online, 12. Januar 2016 –

(…) “Pegida“ demonstriert für die deutsche Frau! O wie fürchterlich! In solchen Zeiten der Not kennt der deutsche Sozialdemokrat nichts, da greift er zum letzten Mittel: Er tut einfach, was Pegida will (…)

Der Tanz folgt einer verschlungenen, entrückten Choreografie: Wir haben in unserem Land einige Hunderttausend sehr schlecht in die Gesellschaft integrierte junge Männer. 90 Prozent davon sind Deutsche, 10 Prozent Ausländer. Um die meisten von ihnen kümmert sich, außer ein paar als “Gutmenschen“ verhöhnte Sozialarbeiter und die Arbeitslosenverwaltung, kein Mensch (…)

Wir haben in diesem Land übrigens auch einen Sexmob. Er beherrscht weite Teile unserer Lebenswirklichkeit. Seine mächtigsten Organisatoren wohnen in sogenannten Redaktionen von Deutschlands allerbeliebtesten Massenblättern und Fernsehsendern. Eine Woche “Frau“ in den Mehrheitsmedien: Wer da als Nordafrikaner nicht verrückt wird, kann kein Muslim sein.

Straftaten geschehen. Drei Millionen jährlich in Deutschland. 150 am Kölner Hauptbahnhof am 31. Dezember 2015. Sie werden von Inländern, Ausländern, Arabern und Nordafrikanern begangen. Manche vorwiegend von Inländern (Steuerhinterziehung). Manche vorwiegend von Ausländern (Illegale Einreise). Manche geschlechtsspezifisch (Körperverletzung), manche gelegenheitsspezifisch (Betrug). Sie alle sind zu verfolgen und gegebenenfalls zu bestrafen. Nicht “mit der ganzen Härte“, und nicht “energisch“ und nicht “unnachgiebig“. Sondern so, wie wir zivilisierten Rheinländer es gelernt haben: jeder Einzelfall nach seiner Verantwortung. Die Behauptung, Asylbewerber (oder Flüchtlinge) oder Ausländer müssten besonders gnadenlos bestraft werden, ist dumm und ohne jede Rechtsgrundlage (…)

Was derzeit an “Opferschutz“-Parolen aus den Lautsprechern quillt, ist nicht mehr als eine Instrumentalisierung, die das Mindestmaß an intellektueller Redlichkeit unterschreitet (…)

Leipziger Allerlei-Ansagen

Die Geschehnisse vom Abend des 11. Januar dieses Jahres in Leipzig, insbesondere im südlichen Stadtteil Connewitz, sind mittlerweile bekannt. Oder waren sie das schon im Vorabbereich? Mehr als nur angedeutet? Gewissermaßen mit Ansage? Gefragt werden darf ja wohl mal.

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Und hernach Empathie. Spontane Anteilnahme quasi. Von gewissen Seiten.

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Dass die Nazi-Schläger laut Medieninformation der Polizeidirektion Leipzig im Laufe des Abends überraschend und zudem relativ plötzlich “aufgrund mitgeführter Utensilien dem Fußballfanklientel zuzuordnen“ waren, bleibt unkommentiert so stehen. Ansonsten gibt es bei der Leipziger Polizei vielleicht noch mehr Verwirrung.

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Was bleibt nach Connewitz am zweiten Montag im Januar dieses Jahres? Eine Attacke durch Hooligans? Von nicht wenigen Medien wurde der Terminus geschmeidig übernommen.

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(Screenshots Twitter – O.M.)

Nicht, dass jemand ’deutsche Jungmänner, allein unterwegs’ sagt. Oder ’Nazi-Terror’. Deutliche Worte? Frei nach Bertolt Brecht ist der Schoß fruchtbarer denn je …

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Biedenkopf gibt Kurt die Hand

Die Zeit ist ein ständiger Fluss. Verschiedenes ändert sich, einiges bleibt gleich. Im Blick auf den Zeitfluss mag mancher zuweilen manches weitestgehend gleichsetzen. Übergreifend. Gewissermaßen nach dem historischen Prinzip einer Querfront. Sinnbildlich. Populistisch?

Populär statt populistisch dünkte Kurt Biedenkopf nicht wenigen in seiner politischen Blütezeit als sächsischer ’Landesvater’. “Das System Biedenkopf“ schien öffentlich eher unpopulär ob einer genaueren Beleuchtung. Im Jahr 2002 bei edition ost publiziert, warf das Werk von Michael Bartsch als Report allerdings mehr als ein erhellendes Licht. “Der Hof-Staat Sachsen und seine braven Untertanen. Oder: Wie in Sachsen die Demokratie auf den Hund kam“ (Buch-Teaser). Lesen kann bilden. Auch heute noch.

Nun, im Zeitfluss geht es nach wie vor um Demokratie. Weniger oder mehr. Und einiges scheint unverändert. Unverrückbar. Fast wie tausendjährig.

Kaum, dass die letztaktuellen Biedenkopf’schen Thesen zur ostdeutschen Immunität gegen rechtsextremes Gedankengut verraucht scheinen, wird wiederum Feuer entfacht. Verbal. Von Sachsens Alt-Landesväterchen. Kann doch so betitelt werden? Obwohl so eine Titulierung ja irgendwie verniedlicht. Und verniedlichen will im demokratischen Diskurs wohl kaum jemand.

“Die Pegida-Demonstrationen sind Ausübung eines ganz entscheidenden demokratischen Grundrechts, nämlich demonstrieren zu dürfen“, referierte Kurt Biedenkopf am 29. Dezember in einem Interview bei Deutschlandradio Kultur seine Sicht der Dinge. Unverrückbar? Grundrechte. Demokratie. Gut. Doch der analytische Blick vom Biedenkopf Kurt endet nicht profan am rechten Rand der jüngeren Geschichte.

“Ich möchte unter keinen Umständen, dass die Pegida-Demonstrationen mit der Statistik von der ’Zeit’ [Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte] in Zusammenhang gebracht wird. Das ist unzulässig.“

Es ist schon ein Kreuz mit den demokratischen Grundrechten. Und manchmal eben ein brennendes. Könnte unzulässig versimplifiziert werden. Wobei Biedenkopf gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich macht, “wenn Leute ein Haus anzünden, ist das keine politische Erklärung, sondern ein Verbrechen. Dass wir das sofort der politischen Entwicklung des Landes zurechnen, halte ich für fragwürdig“.

Unethisch meinungsbildet wiederum natürlich kein Ex-Landesväterchen, ein ostdeutschsächsisches schon gar nicht. Denn “es gibt genug Gründe in Ostdeutschland, nicht nur in Sachsen, sondern in Ostdeutschland, warum die Bevölkerung über diesen starken Flüchtlingszustrom beunruhigt ist“, greift Kurt Biedenkopf offenbar das Motto Sachsen den sächsischen Indianern auf und verfeinert es sogleich zielgerichtet, denn “wir müssen mit den Menschen, die so verunsichert sind, Friedensgespräche, Gespräche führen“. Sinnbildlich?

Nun ja, den Gesprächseinwurf der Interviewerin, Liane von Billerbeck, sie wäre “auch Ostdeutsche“ und “nicht verunsichert“, wischt Biedenkopf hinweg, dann sei von Billerbeck eben “eine glückliche Ausnahme“. Und außerdem, “ich glaube nicht, dass wir weiterkommen, wenn wir das immer auf diese Gleise schieben“, so im Weiteren die Biedenkopf’sche Ansage. Mit aller gebotenen Deutlichkeit.

Und nichts liegt dem sächsischen Alt-Landesvater ferner als Undeutlichkeit. Schon in früheren Jahren beschrieb er konkret seine Beobachtungen des politischen Zeitgeschehens. Aufmerksam. Analysierend. Fundiert. Unvergessen.

“In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“ (Kurt Biedenkopf, November 2000).

Dem Fluss der Zeitgeschichte folgend, stellte Deutschlandradio Kultur den CDU-Politiker aktuell als heute in Bayern lebend, “dem Land Sachsen aber weiterhin stark verbunden“, vor.

“Die Sachsen haben eine Innovation gehabt, eine politische Innovation, nämlich eine politische Gruppierung, die keine Partei ist, die sich aber in Anlehnung an frühere Protesterscheinungen in der Zeit vor der Wiedervereinigung an diese Erscheinungen anlehnen und aufmerksam machen wollen“ (Kurt Biedenkopf, Interview, ZDF heute journal, 13. Oktober 2015).

“Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ (in memoriam Fehlfarben). Frei nach Hermann L. Gremliza ist in diesem Land nichts unmöglich.

MedienScreen # 66 [Besorgte Kameraden]

[Fundstück] “Tag der Patrioten?“, Antifaschistisches Infoblatt (AIB), Nummer 109, Winter 2015 –

(…) Viele Mitglieder der militanten Parteien und Organisationen der 1990er Jahre scheinen durch die aktuellen rassistischen Mobilisierungen reaktiviert und bringen sich und ihre Erfahrungen wieder in die politischen Kämpfe der Neonaziszene mit ein. Neben den teils neu politisierten “besorgten BürgerInnen“, stellen die “alten Kämpfer“ weiterhin eine relevante Gruppe dar, da sie aus teils jahrzehntelanger Erfahrung schöpfen, bundesweit durch persönliche Kontakte partei- und organisationsunabhängig bestens vernetzt sind und eine hohe Gewaltaffinität mitbringen (…)